2013.10 - Philippinen 4


Unsere Einträge im Logbuch
(absteigend, das Neueste zuerst)

2013 - Oktober, Tagbilaran, Bohol, Philippinen



Wir verlassen morgen Samstag, am 26.10., Tagbilaran. Gestern erhielten wir unseren reparierten Kühlschrankkompressor zurück und heute wird noch der Thermostat ersetzt. Dann sollte unser zweites Kühlgerät wieder funktionieren. Den Kühlschrank wollten wir bereits in Thailand reparieren lassen, aber das dort ansässige Unternehmen mit einem franz. Expat als Inhaber meinte, alles sei zu alt und Ersatzteile wären nicht mehr verfügbar. Die offerierten Kosten für den Ersatzkompressor beliefen sich auf ca. € 1'600.-. Wir verzichteten auf das "etwas" überrissene Angebot und packten unsere Teile zusammen. Glücklicherweise brauchen wir diesen Kühlschrank nicht unbedingt.

An Zeit fehlte es uns in Tagbilaran nicht und so wollten wir hier in Bohol nach einer Lösung für unser immer noch nicht erledigtes Kühl-Problem suchen. Uns interessierte ein handelsüblicher 220V Kompressor mit neuem Kühlteil und der Verkäufer im Laden schickte uns zu einer Reparaturwerkstatt für Kühlgeräte. Diese schien uns sehr kompetent. Jonathan, "Gott der Kühlgeräte" meinte, wir sollen unsere alten Geräte bringen, denn er wolle sich diese anschauen. Die Reparatur schien für ihn kein Problem zu sein. Das Erdbeben verzögerte dann die Arbeiten verständlicherweise ganz erheblich, aber heute sollten wir unseren reparierten Kühlschrank wieder in Betrieb nehmen können. Kosten: Pesos 4'500.- oder ungefähr 70.- € ... In den noch nicht so hoch entwickelten "Wegwerf- und Konsumgesellschaften" ist Reparieren eine grosse "Industrie". Alles wir geflickt und wenn eine Instandstellung nicht mehr möglich ist, wird das kaputte Gerät zerlegt und die brauchbaren Teile wieder verwendet. Das ist nicht nur kostengünstig und resourcenschonend, sondern auch sehr lobenswert.


Teilweise herrscht grössere Armut in den Philippinen. Viele Kanus mit sehr armen Einwohnern besuchen unser Schiff am Ankerplatz und es ist das erste mal auf unserer Reise, dass viele Leute bei uns betteln. In allen anderen von uns bisher besuchten Ländern wurde meistens Ware getauscht. Dass der Handel für uns immer ein Verlustgeschäft war, spielt dabei keine Rolle, den es war ein Tauschgeschäft unter "gleichwertigen" Partnern, man handelt, schwatzt und lacht. Anders ist die Bettelei für den Bettler selbst sehr erniedrigend und für uns äusserst unangenehm. Es ist lediglich ein "ich will" in der grösst möglichen Menge. Aber das Herz ist "weich" und so gibt man den Leuten Essen und Kleider. Das Problem dabei ist nur, dass sie sich sehr schnell organisieren und wenn es ihnen scheint, dass irgendwo etwas zu holen ist, dann kommt das ganze Dorf auf ihren Kanus angefahren. Mit vielen Kindern, Frauen und Mitleid erregenden Grossmüttern und -vätern. Dann halten sie uns die Kochtöpfe zum Füllen hin. Es ist schon sehr schwierig, wenn wirklich bedürftige Leute an der Reeling "hängen" und hartnäckig auf ihre hungrigen Bäuche zeigen ...

In letzter Konsequenz würde die Bettelei solange dauern, bis wir auch nichts mehr haben und auf ihrem finanziellen Niveau angelangt sind. Als sich unsere Vorräte an Reis und sonstigem Essbaren zur Neige reichten, stellten wir unsere "Hilfsleistungen" ein und wir waren wirklich froh, dass zu unserer Entlastung noch zwei weitere Segelschiffe in der Bucht ankamen.

Wir hatten eine kleinere "Bettelpause", aber gestern erschien ein Kanu mit Famille, dieses mal um Perlen zu verkaufen. Das war natürlich schon viel besser und Nathalie zeigte sich von der generösen Seite und kaufte für einen guten Preis einige "Schmuckstücke". Unglücklicherweise war das ein grosser Fehler, denn nun erscheinen die alten Bettler wieder mit ihren Familien, dieses mal als "Schmuckverkäufer". Sie wollten uns die billigen Souvenirs sehr hartnäckig zu überzogenen Preisen verkaufen. Die den Kaufdruck erhöhenden Handzeichen auf ihre hungrigen Bäuche fehlten dabei nicht, um ein Geschäft schnell abzuschliessen. Wir blieben hart und kauften nichts. Aber trotzdem, ein paar Mangos und sonstige Esswaren wanderten von unserem Schiff zu den Kanus! 1/4 Stunde war Ruhe, aber nun tönt es wieder "Hello", "Money", "Rice" aus herzerweichenden Kindermäulern ...

Wenn die Fähre im Hafen von Tagbilaran anmacht, dann ist das ein Grossereignis.
"2Go"-Fähre legt in Bohol an
Wenn die Fähre im Hafen von Tagbilaran anmacht, dann ist das ein Grossereignis.
Die armen Leute von Tagbilaran kommen mit ihren Kanus und betteln. Viele Fahrgäste werfen Geldnoten und kleider aus dem Fenster.
Der Hafen befindet sich in Tagbuilaran
Die armen Leute von Tagbilaran kommen mit ihren Kanus und betteln. Viele Fahrgäste werfen Geldnoten und kleider aus dem Fenster.



Der Ansturm der Bettler auf unser Schiff verlegte sich zur "2Go"-Fähre, als dieses grosse Schiff mit den vielen Passagieren im Hafen von Tagbilaran anlegte . Alle Kanus fuhren so schnell wie möglich zum ankommenden Schiff, die "betuchten" unter ihnen mit Motor, die "ärmeren" per "Handarbeit" mit den Paddeln. Bereits während dem Anlegemanöver warfen die Fahrgäste Kleider, Essen, Geld, einfach alles was sie entbehren konnten aus den oberen Stockwerken ins Wasser. Die Leute unten sprangen von den Kanus und holten sich die "geschenkten Waren" schwimmend. Das Schauspiel dauerte sehr lange und wir hatten den Eindruck, dass die Leute in den Kanus geduldig auf die abreisenden Fahrgäste warten würden ...





2013 - Oktober, Erdbeben von 7.8 in Tagbilaran, Bohol

In Tagbilaran normalisiert sich das Leben zusehends. Aber ausserhalb der Stadt ist es für die Leute nicht leicht, denn viele Strassen und vor allem die Brücken sind nicht mehr befahrbar. Man kann sich vorstellen, wie schwierig es auch für die Rettungsmannschaften ist, zu den Opfern zu gelangen. Hier im Hafen sind einige Schiffe des Militärs, welche Hilfsgüter anliefern. Ebenfalls ist viel Luftverkehr, Helikopter fliegen viele Einsätze. Wir haben das Gefühl, dass sehr schnell und effizent geholfen wurde. Grosse Glück war der frühe Zeitpunkt des Erdbebens. Ebenfalls war der 15. Oktober ein Feiertag und alle Schulen hatten geschlossen.

Das ganz grosse Problem sind die Brücken. So wie wir gesehen haben, sind die meisten nicht oder nur noch sehr eingeschränkt befahrbar, d.h. dass viele Leute eingeschlossen sind. Die Tricycle und Jeepney (die typischen philippinischen Busse) fahren von jeder Seite an die Brücke und die Leute steigen nach kurzem Fussmarsch über die demolierte Brücke auf das dort wartende Fahrzeug um.

Strasse vor Bayan, im Süden von Bohol . Viele Strassen sind nicht mehr befahrbar, da die Schäden zu gross sind.
Die meisten Brücken sind nicht passierbar oder können nur von den Motorrädern überquert werden.
Die zerstörten Brücken behindern die Hilfsmannschaften ganz erheblich.
"Inland-City-Mall" in Tagbilaran. Die grosse Shopping-Mall ist komplett geschlossen.


Baclayon Church
, Bohol, nach und ein paar Tage vor dem Erdbeben ...
Nach dem Erdbeben ...
... und vor dem Erdbeben.
"Our Lady of Assumtion Church" in Dauis, .


Der 15. Oktober ist für uns ein sehr spezieller Tag, welchen wir nicht vergessen sollten. Heute sind wir 25 Jahre verheiratet und zusätzlich ist es der Geburtstag von meiner Frau. Aber es gibt noch andere Gründe, diesen Tag nicht zu vergessen ...

Einige Minuten nach 8 Uhr morgens wird unser Schiff ganz heftig und sehr hart geschüttelt, ähnlich, wie wenn man mit einem Auto in grosser Geschwindigkeit über eine schlechte Landstrasse fahren würde. Im ersten Moment dachten wir, wir hätten Grundberührung. Ein Blick auf den Tiefenmesser zeigte 6.50m, also ein Überlegungsfehler, die Tiefe konnte es nicht sein. Wir schauten zum Steg und sahen, dass dort aufgestapelte Paletten mit Ziegelsteinen in sich zusammen fielen und wir realisierten, dass dies ein Erdbeben sein musste. Es war auch eines und zwar ein heftiges. Im Internet lasen wir einige Zeit später "An earthquake with magnitude 7.2 occurred near Tagbilaran, Bohol, Philippines at 00:12:37.20 UTC on Oct 15, 2013". Das Epizentrum lag etwa 20 Km. von unserem Standort entfernt. Nach dem "Durchschütteln" unseres Schiffes kam die Strömung und der Wasserspiegel stieg unmittelbar schnell und sehr stark an. Wir hatten das Gefühl in einem grösseren, stark aufgewühlten Fluss zu stehen und beobachteten, wie der Pier sofort geräumt wurde, weil er zu Überschwemmen drohte. Die Leute liefen oder fuhren mit dem Auto in den etwas höher gelegenen Stadtteil, welcher direkt an den Pier grenzt. Es ist aber nichts passiert, weil der höchste Wasserstand die Höhe des Piers glücklicherweise nicht ganz erreichte. Ein grosses Schiff, beladen mit Sand, wurde seit Tagen von vielen Lastwagen entladen. Heute kehrte sich der Vorgang um und die Lastwagen suchten Schutz vor dem Wasser und parkierten darum auf dem grossen Lastschiff.

Dieses Naturereignis war für uns sehr erschreckend, aber keine Gefahr. Die steigenden Wassermassen irritierten uns und wir überlegten, ob wir unseren Ankerplatz verlassen sollten, um uns vor einem allfälligen Tsunami auf das offene Meer zu flüchten. Als wir bemerkten, dass die Fischerboote zurückkamen und die grossen Fähren blieben wo sie waren haben wir uns entschieden, ebenfalls an unserem Ankerplatz zu verharren.

Es gibt viele Schäden, aber hier in Taglibaran ist es nicht all zu schlimm. Die Leute sind völlig geschockt und sitzen herum, diskutieren und sind glücklich, dass hier in der Hauptstadt von Bohol keine Menschen zu Schaden kamen. Die Geschäfte sind geschlossen, die Restaurants nicht in Betrieb und die "Tricycle" fahren sehr reduziert. Der Polizeichef am Pier meinte zu uns, die beiden grossen Shopping-Malls seien zur Zeit kein sicherer Ort um sich aufzuhalten. Aber wir wollen sowieso nicht dorthin, wir wollten eigentlich zur Wäscherei, um unsere Wäsche abzuholen. Auch die Wäscherei war ausser Betrieb ...

Es gab sehr viele Nachbeben und wie wir heute wissen verloren unglücklicherweise ungefähr 100 Menschen bei diesem Erdbeben ihr Leben. Viele der alten Kirchen mit ihren speziellen "Watchtowern", die Wahrzeichen von Bohol, stürzten in sich zusammen. Wenn man sich die Häuser genauer anschaut, sieht man viele Risse und andere Strukturschäden. Am 17. Oktober sollte ein grosses Kreuzfahrtschiff im Hafen anlegen, aber aufgrund des Erdbebens ist dieser Anlass wohl abgesagt. Nach den ersten Aufräumungsarbeiten normalisiert sich das Leben in der Hauptstadt von Bohol, die Fähren sind wieder in Betrieb, einige Restaurants sind geöffnet, alles kehrt gemächlich zurück zum "normalen" Leben.

Heute, am 18. Oktober, vernehmen wir, dass es in der Stadt Loon, ein paar Kilometer von der Hauptstadt entfernt, zu schrecklichen Erdrutschen gekommen ist. Da viele Strassen durch das Erdbeben zerstört sind, haben die Rettungsmannschaften grosse Schwierigkeiten zu dem Unfallort zu gelangen. Viele Helikopter des Militärs und kleine Schiffe brachten die Verletzten in das Spital von Tagbilaran. Es ist eine sehr traurige Zeit.

Im Verlaufe eines sonnigen, ruhigen Tages ereignet sich für eine Viertelstunde oder weniger eine nicht vorhersagbare Naturkatastrophe. Befindet man sich unglücklicherweise und rein zufällig am falschen Ort, dann schlägt das "Schicksaal" erbarmungslos und mit voller Kraft zu, nimmt einem das Leben oder verändert es durch das Unglück völlig. Für alle anderen geht nach kurzer Zeit das Leben in den gewohnten Bahnen weiter und die Natur selbst benimmt sich, als wäre absolut nichts passiert.

Unmittelbar nach dem Erdbeben stieg der Wasserspiegel bei grosser Strömung stark an.
Umgefallene Ziegelsteine ...
Verschobene Container ...
Enorme Strömung und die Wassermassen erhöhen den Pegelstand innert Minuten ...
Komplett abgesenkter Durchgang zwischen zwei Häusern ...
Abgesnkter Fussweg ...
Vor dem Polizeigebäude auf dem Pier ein 20 cm breiter Graben um die Frontseite des Hauses ...
Demolierter Pier ...
Zerstörtes Gebäude hinter dem kleinen Hafen ...
Beim grossen, grünen Gebäude fallen Frontabkleidungen runter und alle Scheiben gingen in Brüche ...