8. bis 12. Juli 2008 - Sturmgeschichten
Normalerweise erzählen wir unsere Erlebnisse während dem Segeln nicht. Diese sind auch nicht besonders interessant, denn das Schiff findet seinen Weg beinahe selbst und wir "hängen" herum, geniessen die Einsamkeit und das Meer, bestaunen den spektakulären Sternenhimmel des Südens, lesen, hören wie sich die Erde dreht, halten Wache, kontrollieren das Schiff, den Motor und natürlich den Kurs, versuchen die neusten Wetterdaten via SSB zu holen, suchen auf dem Radar nach Schiffen, wir verpflegen uns, wir sehen den Vögeln zu, welche uns ihre Flugkünste überall auf dem Meer zeigen und wir schreiben ab und zu an unserer Internetseite :-)) ...
Manchmal - oder selten - kommt es anders als man erwartet hat und darum wollen wir heute eine Ausnahme machen und von unseren Segelerlebnis der Fahrt von Vava'u in Tonga über Wallis nach Futuna erzählen:
Ist ein Schiff unterwegs, gibt es kein (An)-Halten mehr. Was immer kommen mag, man muss die Situation nehmen wie sie ist und "hindurch". Unmöglich zu parkieren, die Handbremse zu ziehen und sich irgendwo einen günstigen "Unterschlupf" zu suchen, um nachher die Reise unter besseren Konditionen fortsetzen zu können. Und draussen auf dem Meer ist man alleine, Entscheidungen kann man nur selbst treffen und genauso ist es mit Hilfe, man kann sich nur selbst helfen ... und dies ist u.a. ein Teil des grandiosen Abenteuers, welches auf Schiffen erlebt werden kann.
Wir reisen gerne bei Windgeschwindigkeiten zwischen 20 und 30 Kn *) von achtern - d.h. von hinten. Das waren unsere anfänglichen Konditionen bei der Abreise in Vava'u, Tonga. Aber nach einigen Stunden befanden wir uns inmitten eines StarkwindGebietes mit einer Windstärke um 40 kn. Überraschenderweise gefiel es uns und dem Schiff und so erreichten wir in sehr schneller, etwas nach Mitternacht, die 380 SM entfernten Insel Wallis in weniger als 2 Tagen. Wir "drehten bei" und warteten auf den Sonnenaufgang, resp. den Tagesanfang. Morgens, bei starkem Regen und den nach wie vor äusserst hohen Windgeschwindigkeiten mit Spitzen um die 50 Kn, suchten wir die Seezeichen im Pass, der Einfahrt in die Lagune. Dabei sahen wir vor lauter Wasser in der Luft die Insel nicht mehr ... Zudem lag der Pass genau in der Windrichtung, d.h. auf der Luvseite. Dies ist nicht nur für die Einfahrt in die Lagune äusserst ungünstig, es ist generell ein ungemütlicher Zustand, wenn der Wind das Schiff an Land treibt. Im Gegenzug hätten wir die notwendige Ebbe gehabt, welche die Strömungen in der Einfahrt in Grenzen gehalten hätte. Nun gut, wir verpassten den Zeitpunkt und entschieden uns, weiter nach Futuna zu segeln. Wir sahen keinen Sinn darin, auszuharren und auf der Leeseite auf die nächste Flut oder Ebbe zu warten, um dabei keine oder nur eine kleine Chance zu haben, bei diesem Wetter den Pass passieren zu können. Heute reut es uns ein wenig, nicht hartnäckiger gewesen zu sein. Sehen wir es positiv, besuchen wir Wallis bei unserem nächsten Pazifik-Durchgang :-)).
Unsere irrige Meinung, dass wir leicht und bequem die 150 SM nach Futuna segeln könnten wurde schnell durch das Wetter und die Wellen korrigiert. Der Wind von Südost lies uns theoretisch 90° zu den Wellen fahren und man würde denken, dass dies kein Problem sein sollte. Aber weit gefehlt, es ist unmöglich, in diesen von Starkwinden erzeugten Wellenbergen parallel zu segeln. Die Brecher knallen zeitweise derart an und auf das Schiff, dass man sehr schnell den Kurs korrigiert und einen fahrbaren Winkel zur Welle wählt. So suchten wir nach Alternativ-Zielen, jedoch alles Fahrbare führte uns dorthin, wohin wir nicht wollten! Alternativen liegen im Pazifik nicht "um-die-Ecke", sondern Tage 0der Wochen entfernt. Vanuatu wäre leicht erreichbar gewesen, aber für uns zu weit westlich. Western Samoa liegt zu weit östlich und die erreichbaren Inseln von Tuvalu wollten wir nicht anlaufen ... logische Entscheidung: Beidrehen und abwarten. Das Beidrehen funktionierte erstaunlicherweise in jeder Situation, unabhängig von Windstärke und Wellenhöhe. Es - das "Beidrehen" - bringt das Schiff in eine einigermassen bequeme Lage. Erstaunlich aber wahr: Draussen geht die "Sau ab" und drinnen liest man in häuslicher Atmosphäre ein Buch. (Nachtrag vom 15.7.: Die Fluglinie "AirCalin" stellte während dem Unwetter alle Flüge zwischen Wallis und Futuna ein).
Neptun war uns gnädig, denn am nächsten Morgen drehte der Wind bei unveränderter Stärke weiter nach Ost. Dies eröffnete uns die Möglichkeit, planmässig die Insel Futuna anzulaufen. Leider war es zu spät, um noch am selben Tag das Ziel zu erreichen. Wir nutzen die uns verbleibende Zeit zu einer "nächtlichen Inselrundfahrt" um Futuna. Am frühen morgen gelangten wir zum einzig geschützten Ankerplatz der Insel Futuna und der Nachbarinsel Alofi. Er liegt im Kanal zwischen den beiden Insel, auf der Position 14°19.582 S und 178°03.812 W. Wir geben die genauen Koordinaten, weil der Ankerplatz nirgends beschrieben wird und zwischen zwei Riffen liegt. Erreichbar ist er einfach. Der Ankergrund besteht aus Sand und Koralle. Wir liegen hier ideal: Ruhig, einsam und vor schönster Kulisse ...
Zweimal im Tag hatten wir Funkkontakt zu Uli und Marita der SY "Truant". Sie waren ganz sicher mehr besorgt um uns als wir selbst. Wir bedanken uns dafür.
Streckenrekord ...
Der erste Teil der Reise - zur Insel Wallis - bescherte uns einen neuen Streckenrekord: einiges über 200 SM pro Tag. Würden wir nicht derart "Material schonend" segeln, wären noch höhere Geschwindigkeiten erreichbar gewesen. Ein weiteres Handicap unseres Schiffes ist der fixe Propeller, welcher einiges an Geschwindigkeit kostet. Maximal gesehene Knoten (von Nathalie): 14,5.
Ist Geschwindigkeit für eine Fahrtenyacht wichtig? Ja, obwohl ein 10 oder 20% mehr oder weniger Zeitdauer für eine Reise nicht von Bedeutung ist. Aber trotzdem, es ist einfach super, ein Schiff zu haben, welches in allen Konditionen gut, sicher und schnell läuft. Nichts schlimmeres als ein Schiff, welches vor lauter Gewicht in den Wellen vor sich hin und her stampft. Ich könnte mich nun "auf die Äste" hinauswagen und über die Vor- resp. Nachteile zwischen Kat und Mono schreiben. Aber das verschieben wir auf einen anderen Zeitpunkt
Wellen sind von Natur aus neugierig. Sie formen am Top kleine Köpfe und wollen ins Boot schauen. Manchmal gehen sie soweit, dass sie, wie wir als Kinder, "Bock-Springen" spielen. Die erste Welle bildet den "Bock" und die zweite schiebt sich darüber auf's Schiff.
Das "Seemannsgarn" kommt vielleicht daher, weil die Stimmung und die empfundene Realität des Segelns nur schwerlich beschrieben werden kann. Darum die vielen unglaublichen Übertreibungen. Wir selbst wissen nicht, wie hoch die Wellenberge waren, aber sie waren "riesig". Und nicht immer ist der Fotoapparat zur Hand, man verpasst leider die eindrücklichsten Momente, da bekanntlich Salzwasser nicht das Lieblingselement der Elektronik ist ;-)) ...
Um die Bäume der Masten vor wechselnden Winden - einer Patenthalse - zu sichern , verwenden wir ein Seil mit zwei Blöcken. Schon immer funktionierte der Stopper (linkes Teil oben) nicht zu 100%. Vorsichtshalber verknöpften wir darum das Ende des Seils, welches dem Baum leider etwa 10 cm Spiel gab. Eine "verirrte" Böe schlich sich ums Segel und knallte den Baum in das Sicherungsseil. Die 10 cm freien Spielraum verwandelten die beiden massiven Blöcke in einem Sekundenbruchteil zu Schrott. Bei "normalen" Windgeschwindigkeiten war das System "Des-vernöpften-Endes" ausreichend ... das Resultat bei Starkwinden ist oben abgebildet: verbogen, zerbrochen und herausgerissene Räder.