2015.07. - Indien, 2. Reise - Teil 2
 
 
2015.07 - Nubra Valley - Abenteuer auf dem "Dach der Welt"

Offiziell zählt der Khardung La mit 5.602 Metern zu den höchsten befahrbaren Pässen der Welt - auch wenn unabhängige Messungen oft etwas niedrigere Werte zeigen. Doch egal, ob Rekord oder nicht: Diese legendäre Strecke zwischen Leh und dem Nubra-Tal ist ein unvergessliches Erlebnis. 

Wer hier unterwegs ist, braucht ein robustes Fahrzeug - und Toyotas Innova ist der unangefochtene König der Straßen. Hergestellt in Indien, bewältigt dieser Alleskönner selbst die gnadenlosesten Pisten mit stoischer Gelassenheit. Zwar fehlt ihm Allradantrieb, aber das scheint ihn (und die indischen Fahrer) nicht zu stören.

Am Ende bleibt vor allem eines: Das Gefühl, etwas Unmögliches möglich gemacht zu haben. Die Mischung aus atemberaubender Natur, Adrenalin und grenzenloser Freiheit macht diese Fahrt zu einem unvergesslichen Highlight.

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Teamwork am Gebirgsbach - oder: Wie unser Auto aus der Himalaya-Wäsche gezogen wurde


Plötzliches Verkehrshindernis: Vor uns versucht ein Auto vergeblich, durch den Gebirgsbach zu kommen, der sich kurzerhand über die Fahrbahn geschoben hat. Also: Alle raus, Ärmel hochkrempeln. Unser Fahrer, barfuß und unerschrocken, watet ins eiskalte Wasser - während der Rest der Truppe Steine herbeischleppt, strategisch unter die Räder schiebt und motivierende Rufe ausstößt. Sogar die Mitreisenden, die wir erst seit zwei Stunden kennen, greifen spontan als "Ladakh’s beste Stützräder" ein. 


Dramatische Pause. Das nächste Fahrzeug vor uns durchquert die Flut wie ein elegantes Yak - mühelos, fast schon majestätisch. Unser Versuch? Nun ja … Die Räder graben sich ins Geröll, Wasserfontänen spritzen, und für einen Moment fragt man sich, ob man hier "Car vs. Natur" live dokumentiert. Doch dann: Der große Auftritt der Steine-Schubser-Brigade! Mit vereinten Kräften, dem Geschick unseres Fahrers und einer Prise Glück befreien wir uns - Applaus, High Fives, kollektives Durchatmen. 


Was bleibt? Die Erkenntnis, dass "Straße" in Ladakh manchmal eher eine Empfehlung ist - und dass solche Abenteuer die Reise erst richtig unvergesslich machen. Weiter geht’s, mit etwas mehr Dreck an den Schuhen, aber um eine Anekdote reicher. Und falls uns der nächste Bach sieht: Wir kennen den Drill!


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Gipfelglück auf dem Khardung La - 5.630 Meter über dem Alltag

Nach vier Stunden kurvenreicher Akrobatik, unzähligen Schlaglöchern und dem ein oder anderen "Haltet-die-Luft-an!"-Moment ist es geschafft: Wir haben den Khardung La bezwungen! Hier oben, auf schwindelerregenden 5.630 Metern, ist die Luft dünn. Stattdessen überwältigt uns die unfassbare Weite dieser Hochgebirgswelt

Blick von der "Himmelsstraße" 
Atemberaubend? Absolut - und das nicht nur wegen der Höhe! Vor uns breitet sich ein Panorama aus, das jedes Adjektiv sprengt: schneeweiße Gipfel, die wie gezackte Kronen leuchten, tiefblaue Himmel und eine Stille, die fast schon laut ist. Für einen Augenblick sind wir die höchsten Menschen im Himalaya - oder fühlen uns zumindest so. Klick! Ein paar Schnappschüsse später ist der Moment für die Ewigkeit festgehalten. 

Chai-Zeremonie am "Dach der Welt"
Was könnte diesen Triumph krönen? Natürlich eine dampfende Tasse Chai! Der süß-würzige Duft von Kardamom und Ingwer mischt sich mit der klaren Bergluft, und jeder Schluck schmeckt nach purem Ladakh: kraftvoll, wärmend und ein bisschen magisch. Mit neuer Energie geht’s weiter - denn hinter dem Pass wartet schon das Nubra-Tal

Khardung La - Unser Gipfeltreffen mit dem Himmel

 

5.377 Meter - so genau sagt es unser GPS. Damit sind wir 567 Meter höher als der Mont Blanc - und das fühlt man! Der Pass ist nicht nur ein Verkehrsknotenpunkt, sondern der beliebteste Fotopunkt Ladakhs 🙂. Alle wollen den Beweis: Ich war hier, auf dem Dach der Welt! 

5'377 m zeigt unser GPS an. Wir sind 567 m höher als der höchste Berg Europas (Mont Blanc, 4'810 m)Der Fotopunkt. Jeder will zeigen dass er hier war!

Die Leute posierten vor der berühmten Pass-Tafel, während sich hinter ihnen die schneebedeckten Gipfel eines 6.000- oder 7.000ers in den Himmel recken. Die Kulisse könnte nicht dramatischer sein - und doch wirkt sie friedlich. 


Überall flattern bunte Gebetsfahnen im Wind. Jedes Haus, jeder Felsen, selbst die Passhöhe ist mit diesen farbenfrohen Botschaftern des Glaubens geschmückt. Sie flüstern Gebete in den Wind und erinnern uns daran: Hier ist die Natur noch der größte Architekt.


Doch Vorsicht - die Berge haben auch ihre Launen. Manchmal poltern Steine unvermittelt zu Tal, ob auf Lastwagen, Autos oder einfach ins Nichts. Ein kleiner Wink der Natur, wer hier eigentlich das Sagen hat. 

Nathalie auf der Passhöhe, hinter Ihr ein 6- oder 7-tausender ...Jedes Haus, jeder Platz und auch die Passhöhe ist mit farbigen Gebetsfahnen verziert.Manchmal fallen die Steine auch auf Lastwagen oder Autos ...


Entlang des Sheyok - Eine Reise durch die Zeit

Der eisgraue Sheyok-Fluss schlängelte sich wie ein schläfriger Drache durch die Landschaft - sein Gletscherwasser fraß sich tief ins Tal und schuf ein labyrinthisches Netz aus Sandbänken und Seitenarmen. Unser Weg zum Kloster Diskit führte uns vorbei an steilen Felswänden, die sich wie alte Wächter aufrichteten, und an Geröllfeldern, die von uralten Bergstürzen erzählten. Mit jeder Kurve offenbarte sich die wilde, ungebändigte Schönheit des Nubra-Tals - eine Landschaft, die uns Demut lehrte. 

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Schon von Weitem begrüßte uns das Wahrzeichen des Tals: Die gold-rot leuchtende Maitreya-Statue, die mit ihrem lächelnden Blick über das Tal zu wachen schien. Das Kloster Diskit, stolze 570 Jahre alt, ist nicht nur das älteste im Nubra-Tal, sondern ein lebendiges Geschichtsbuch - jede Mauer, jede Gebetsfahne flüstert von vergangenen Jahrhunderten

Auf einem sonnenverbrannten Hügel thronend, bietet dieser Ort etwas Seltenes: Gleichzeitig Stille und Weite. Der Blick von hier oben reicht über schroffe Berge, das silberne Band des Sheyok und die endlose Wüste, als wollte die Natur selbst meditieren. Ein Platz, der die Seele öffnet und den Atem raubt.

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Die Jagd nach dem perfekten Foto - Eine Odyssee in Diskit

Erster Versuch: Ein Wettlauf mit dem Wetter
Mit Regenjacken erklommen wir die steilen Stufen zum Kloster Diskit, begleitet von einem hartnäckigen Nieselregen. Die 32 Meter hohe Maitreya-Statue thronte imposant vor uns - doch für das perfekte Postkartenmotiv fehlte das Wichtigste: Sonnenschein! Trotzdem knipsten wir tapfer ein paar Erinnerungsfotos und fuhren weiter nach Hundar, dem quirligen Hauptdorf des Nubra-Tals. 

Doch kaum hatten wir uns mit Buttertee und Momos gestärkt, geschah das Wunder: Die Wolken rissen auf, die Sonne strahlte! Blitzentscheidung: Zurück zum Kloster - jetzt oder nie! Doch als wir ankamen, hatte der Himmel schon wieder andere Pläne. Der Regen kehrte zurück, und mit ihm unsere leicht genervte Resignation. Immerhin: Unser Zeltcamp in Sumur entpuppte sich als überraschend luxuriös - mit flauschigen Decken und Blick auf die Sterne. 

Zweiter Versuch: Lost in Translation
Am nächsten Morgen begrüßte uns blauer Himmel. "Diskit, bitte!", riefen wir unserem Fahrer zu. Doch zwischen "Today" und "Yesterday" verhedderte sich seine Englisch­kennt­nisse - und plötzlich landeten wir mitten im Hundar-Festival, wo sich Hunderte Ladakhis in farbenfrohen Trachten versammelten. Ein hoher Lama wurde erwartet, die Luft vibrierte vor freudiger Erwartung. Wir Touristen durften auf einer sonnigen Tribüne Platz nehmen - doch während Nathalie die Festlich­keiten genoss, packte mich der Foto­ehr­geiz

Finale: Der einsame Marsch zur Statue
Also stapfte ich allein die 8 Kilometer zurück zum Kloster, vorbei an ziegenbeweideten Hängen und neugierigen Dorfkindern. Doch als ich endlich keuchend ankam, zogen schon wieder dramatische Wolken auf. Die Statue strahlte dennoch - und ich schnappte mir ein paar atmospärische Schnapp­schüsse, die die Reise wert waren. 

Die Moral der Geschichte? 
In Ladakh schreibt nicht der Reiseführer das Drehbuch, sondern die Götter, das Wetter und ein bisschen Chaos. Und manchmal sind es gerade diese unplanbaren Momente - das Festival, der verirrte Fußmarsch, die Regentropfen im Sonnenlicht -, die die besten Geschichten schreiben

Die Monastery Diskit.
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Sumur - Begegnung mit der Zeitlosigkeit

Unser letzter Abstecher im Nubra-Tal führte uns ins Kloster Sumur (Samstanling Gompa, Name für GoogleMaps) - ein Ort, der auf den ersten Blick jung wirkte, aber eine Seele aus Jahrhunderten hat. Ein lächelnder Mönch mit wettergegerbtem Gesicht führte uns durch die frisch renovierten Gänge, während er von alten Legenden erzählte. "Die Mauern sind neu, aber der Glaube ist so alt wie die Berge", erklärte er und strich über eine vergoldete Gebetsmühle, deren Holz abgegriffen war von unzähligen Drehungen. 

Die Renovierungsarbeiten verliehen dem Kloster fast einen museumshaften Glanz - doch sobald wir den Dunkang-Tempel betraten, spürten wir es: Diese dunkel­rote Halle, erfüllt vom Duft nach Butterlampen und Weihrauch, hatte sich seit Jahrhunderten nicht verändert. Zwischen altgotischen Thangka-Malereien und modernen Stromkabeln lag eine eigenartige Harmonie. 

Als wir später im Hof standen und auf die schneebedeckten Zanskar-Berge blickten, verstanden wir: Hier wird nichts "konserviert" - das Kloster lebt, atmet und wächst mit seiner Zeit, ohne seine Wurzeln zu verlieren. Ein perfektes Symbol für Ladakh selbst: wild und weise, vergänglich und ewig zu­gleich

Monastery in Sumur, Ladakh.IndienLeh20250502-A
2015.07 - Rückkehr nach Leh - Eine Schnee-Überraschung im Himalaya

Was für eine Rückfahrt! Die gleiche Strecke, die uns auf dem Hinweg schon Adrenalin und Gänsehaut beschert hatte, legte diesmal noch einen drauf: Sechs Stunden Abenteuer durch Regen, Schnee und eine Straße, die sich plötzlich in eine rutschige Bobbahn verwandelt hatte. Die Berge, tagsüber schon beeindruckend, wirkten im Schneetreiben wie riesige Geister, die aus den Wolken lugten. Jede Serpentine, jeder Pass - ein kleines Drama mit Grip-Proben. Doch im Auto herrschte erstaunliche Ruhe. Unser Fahrer steuerte den Wagen mit der Souveränität eines Yak-Hirten, und wir? Wir ließen uns von der surrealen Schönheit verzaubern: Schneeflocken, die wie Konfetti vom Himmel wirbelten, Gipfel, die zwischen Wolkenfetzen auftauchten, und diese eigenartige Stille, die nur frischer Schnee bringt. Irgendwann vergaßen wir sogar die nasse Kälte - so sehr fesselte uns das Kino vor den Fenstern

Als die Lichter von Leh endlich auftauchten, waren wir erschöpft, aber strahlend. Diese Fahrt hatte uns nochmal gelehrt, was Ladakh ausmacht: Hier bestimmt die Natur den Takt - und wir Menschen dürfen staunend mitlaufen. Was zählt, ist nicht der perfekte Zeitplan, sondern das Kribbeln im Bauch, wenn man gemeinsam ein Abenteuer besteht.




2015.07 - Chang La - Wo der Himmel die Erde küsst

Gipfelzauber auf 5.360 Metern
Auf halber Strecke zwischen Himmel und Erde erreichten wir die Passhöhe des Chang La - und die Luft schien plötzlich aus Stille und Gebeten zu bestehen. Ein winziger Tempel, hingehaucht zwischen schneebedeckten Gipfeln, wirkte wie ein Wächter der Zeit. Tausende bunte Gebetsfahnen flatterten im Wind und webten die Wünsche vergangener Reisender in die Bergluft. Für einen Augenblick hielten wir den Atem an: Hier, zwischen Himmel und Stein, fühlte sich selbst die Ewigkeit klein an. 

Die Fahrt hinauf war ein Fest für die Augen - eine Achterbahnfahrt durch Ladakhs wilde Seele. Schroffe Felswände, scharf wie Messerklingen, wechselten sich ab mit smaragdgrünen Oasen, wo Menschen dem kargen Boden mit uralter Weisheit Leben abtrotzten. Die klare Höhenluft ließ jedes Detail scharf wie ein Diamant funkeln: das Rostrot der Berge, das Türkis eines Gletscherbaches, das Gold der Morgensonne auf Geröllfeldern, die wie vergessene Skulpturen wirkten. 


Der Weg hinab zum Pangong-See war dann ein Reminder an die Demut - wenn man die holprige Geröllpiste überhaupt "Straße" nennen konnte. Unser Auto tanzte über Steine, als wäre es ein Berg-Yak auf Glatteis, während die Landschaft um uns ihre dramatischsten Seiten zeigte: Einsame Ebenen, von Wind und Eis gemeißelt, und plötzlich - wie eine Fata Morgana - der erste Blick auf den See. Sein türkisblaues Wasser leuchtete so unwirklich, als hätte jemand ein Stück Karibik in die Mondlandschaft geworfen





2015.07 - Pangong Tso, wo der Himmel das Wasser küsst

Plötzlich breitet sich der See aus - ein türkisblaues Wunder, das sich über 134 Kilometer bis nach Tibet erstreckt. Der Pangong Tso ist ein Chamäleon der Farben: Mal schimmert er tiefblau wie ein Saphir, mal schlüpft er in ein zartes Türkis, als hätte ihn Picasso persönlich getupft. Das Geheimnis? Ein leichter Salzgehalt (ohne Abfluss verdunstet hier jedes Tröpfchen) und das Himalaya-Licht, das die Oberfläche minütlich neu erfindet. Rundherum: Schneegipfel als stille Wächter und eine Stille, die nach Hall klingt

Unser Zuhause für die Nacht: Ein luxuriöses Zeltcamp direkt am Ufer, wo sich 9 gemütliche Stoffpaläste wie Perlen an einer Schnur reihen. Drinnen flauschige Decken und Holzmöbel, draußen das Schauspiel des Sees, der mit der untergehenden Sonne von Blau zu Feuerrot wechselt. Die 4.200 Meter Höhe spürten wir kaum - nur die klare Luft, die wie Champagner in der Lunge prickelte. Beim Aufwachen am nächsten Morgen lag Nebel über dem Wasser wie Zuckerwatte, bis die Sonne ihn in goldene Fäden zerteilte. 

Warum dieser Ort berührt
Der Pangong Tso ist mehr als ein See. Er ist eine Meditation in Blau, ein Ort, der Grenzen verwischt - zwischen Indien und Tibet, zwischen Wasser und Himmel, zwischen Staunen und Demut. Wer hier steht, versteht: Manche Schönheit lässt sich nicht fotografieren. Nur fühlen

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2015.07 - Zweite Rückkehr nach Leh: Vertraute Wege, neue Eindrücke


Die Strecke nach Leh führt uns noch einmal über den Chang La-Pass, diesmal jedoch mit einem anderen Gefühl: 

  • Die Felsformationen kommen uns wie alte Freunde vor 
  • Die Geröllfelder wirken weniger einschüchternd 
  • Selbst die Haarnadelkurven fühlen sich vertraut an 

Unser Toyota bewältigt die Piste mit der Ruhe eines erfahrenen Bergführers, während wir die letzten Tage Revue passieren lassen: 

  • Die flatternden Gebetsfahnen am Pass 
  • Das spiegelglatte Wasser des Sees im Morgenlicht 
  • Die klare Bergluft, die nach Weite und Freiheit schmeckt 

Ankunft in Leh

Als die ersten Häuser der Stadt sichtbar werden, spüren wir ein gemischtes Gefühl

  • Wehmut, weil das Abenteuer zu Ende geht 
  • Vorfreude, weil wir die Erinnerungen an atemberaubende Landschaften und begegnungsreiche Momente mit nach Hause nehmen 

Diese Reise hat uns gezeigt, wie sehr man einen Ort in kurzer Zeit ins Herz schließen kann - und wie sehr er einen selbst verändert. 



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2015.07 - Nachtfahrt nach Srinagar - Eine besondere Reiseerfahrung

 

Bereits bei der Planung war klar: Statt des bequemen Fluges von Leh nach Delhi entschieden wir uns für die Nachtfahrt im Jeep nach Srinagar. Die erste Etappe bis Kargil verlief noch relativ ruhig, doch die anschließende Strecke erwies sich als besondere Herausforderung - besonders nach den starken Regenfällen der letzten Tage. 


Die Route windet sich durch eine faszinierende Gebirgslandschaft, wo die Natur jeden Tag neu gestaltet wird. Die schmale Schotterpiste führt entlang beeindruckender Felshänge, und immer wieder muss man sich an die besonderen Gegebenheiten anpassen: Steinbrocken auf der Fahrbahn oder gelegentliche Erdrutsche gehören hier einfach dazu. Unser Jeep bewegte sich vorsichtig vorwärts, während wir die atemberaubende Weite der Landschaft bestaunten. 


Während der Fahrt war es kaum möglich, gezielt Fotos zu machen - zu schnell wechselten die Eindrücke. Die besten Aufnahmen entstanden spontan aus dem fahrenden Wagen, wenn sich zwischen Kurven und Hügeln plötzlich ein neues Panorama auftat. Besonders beeindruckend waren die Lastwagen, die sich mit erstaunlicher Präzision durch die engen Passagen manövrierten, sowie die ruhige Gelassenheit unseres Fahrers, der diese Strecke schon unzählige Male gefahren war. 




Begegnung mit dem Gegenverkehr - Gelassenheit auf schmalem Pfad


Plötzlich taucht ein Lastwagen vor uns auf - auf dieser engen Straße eine ganz normale, wenn auch knifflige Situation. Unser Fahrer bremst gelassen ab, und wir nähern uns im Schritttempo. Mit ruhiger Hand lenkt er uns vorbei, während der Lkw-Fahrer lässig aus seinem Fenster lehnt, als wäre dies ein ganz alltägliches Manöver (was es hier wohl auch ist). 


Zugegeben, die Zentimeter zwischen den Fahrzeugen und dem Abgrund sind schon beeindruckend - aber die Routine der Fahrer wirkt beruhigend. Kein Hektik, kein Hupen, nur konzentriertes Vorbeigleiten. Nach wenigen Minuten ist die Stelle passiert, und wir rollen weiter, jetzt mit einem kleinen Schmunzeln: So viel Vertrauen in die Ortskenntnis eines Fremden hatten wir noch nie! 


Diese Straße lehrt auf ihre eigene Weise Gelassenheit. Man beginnt zu verstehen, warum Ladakhis so viel Geduld mitbringen - wenn jeder Gegenverkehr eine gemeinsame Lösung braucht, bleibt keine Zeit für Dramen. Und vielleicht ist das ja die eigentliche Reiseerkenntnis:

Manchmal ist der beste Weg nach vorne einfach langsam, achtsam - und mit einem Lächeln für den, der einem entgegenkommt

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Ungeplantes Abenteuer: Zu Fuß nach Sonamarg


Nach einer anstrengenden Fahrt erreichten wir Thal - ohne weitere Zwischenfälle. Doch dort erhielten wir die Bestätigung: Ein Erdrutsch bei Sonamarg blockierte tatsächlich die Straße nach Srinagar. Da unser Flug von Srinagar nach Delhi für den Abend fest gebucht war, blieb uns keine andere Wahl. Wir entschlossen uns, die 10 Kilometer hinter der Erdrutschstelle zu Fuß zurückzulegen - mit unseren schweren Rucksäcken.


 


Die Überquerung des Erdrutsches - Eine besondere Erfahrung


Der Erdrutsch hatte die Straße verschüttet, und der einzige Weg führte direkt über die instabile Fläche aus Geröll und Schlamm. Zum Glück hatten sich einige Einheimische organisiert und ein dickes Seil als Hilfsmittel gespannt. 


Einer nach dem anderen packten wir das Seil fest und setzten vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Der Boden gab unter jedem Schritt leicht nach, und hin und wieder rutschte ein Stein weg - aber die ruhige Sicherheit der Männer am Seil gab uns Halt.


Es war kein Spaziergang, aber auch kein Drama. Langsam tasteten wir uns vorwärts, konzentriert, aber ohne Hektik. Und als wir schließlich auf der anderen Seite standen, war die Erleichterung groß - nicht nur, weil wir es geschafft hatten, sondern auch wegen der selbstverständlichen Hilfsbereitschaft, die uns diesen Weg ermöglichte. 

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Ungeplante Übernachtung in Sonamarg - Eine Lektion in Geduld


Als wir in Sonamarg ankamen, wurde schnell klar: Die Situation war ernster als gedacht. Zwei weitere Erdrutsche hatten die Straße nach Srinigar blockiert, und die Behörden waren vollauf damit beschäftigt, die Lage in den Griff zu bekommen. Während Einheimische halfen oder nach Angehörigen suchten, wurden wir Touristen freundlich, aber bestimmt zurückgehalten. Die Prioritäten waren klar, und das verstanden wir. Die Beamten nahmen sich überraschend viel Zeit für uns. Sie hörten geduldig zu, als wir von unserem Flug nach Delhi erzählten, den wir heute noch erreichen wollten. Doch zwischen ihren Gesprächen in Urdu fingen wir das Wort "Helikopter" auf - ein deutliches Zeichen dafür, wie schwerwiegend die Schäden wirklich waren. 


Es gab Verluste. Es gab Zerstörung. Und plötzlich schien unser Flugproblem klein und unwichtig. 


Ohne Diskussion zogen wir unsere Pläne zurück. Die Polizei hatte Wichtigeres zu tun, und wir wollten nicht stören. Als wir uns verabschiedeten, bekamen wir einen festen Händedruck und ein aufrichtiges Lächeln - eine stille Anerkennung für unser Verständnis. 


Unser Kontakt in Dehli, Shafi, stornierte den Flug, während wir das letzte freie Hotelzimmer in Sonamarg ergatterten. Es war einfach, aber in diesem Moment fühlte es sich wie ein Fünf-Sterne-Zimmer an. 


Manchmal bedeutet Reisen nicht nur, vorwärtszukommen, sondern auch zu akzeptieren, wenn man stehen bleiben muss.




Um 5 Uhr morgens waren wir bereits auf den Beinen, um ein Taxi zur nächsten Etappe zu finden. Der erste Fahrer verlangte 1.200 Rupien für die 12 Kilometer - ein stolzer Preis für unsere Reisekasse. Doch dann mischte sich der Restaurantbesitzer ein, der gerade sein Lokal öffnete. Mit einem verschmitzten Lächeln führte er uns zu einer kostengünstigeren Alternative: einem Sammeltaxi für 20 Rupien pro Person

Der Haken? 14 Personen in einem Suzuki-Jeep. Auf den vorderen Sitzen thronten fünf Fahrgäste - wer von ihnen eigentlich lenkte, blieb ein Rätsel. Aber in dieser Situation zählte jedes gesparte Rupie, und so zwängten wir uns zwischen Gepäck und Mitreisenden ein. Nicht bequem, aber effektiv. 

An der nächsten Sperrstelle erwartete uns ein noch größeres Hindernis: Ein breiter Erdrutsch mit einem Bach in der Mitte. Die Einheimischen hatten eine Notbrücke aus Holzplanken gebaut - praktisch, aber nicht gerade einladend. Die Balken waren nass, lehmverschmiert und rutschig, und mit dem Gepäck fühlte sich die Überquerung wie eine Mutprobe an. 

Doch dann streckte mir jemand von der anderen Seite die Hand entgegen - ein Einheimischer, dessen Gesicht ich im Morgenlicht kaum erkennen konnte. Sein fester Händedruck gab mir sofort Sicherheit. Mit seiner Hilfe balancierte ich Schritt für Schritt über die schwankenden Bretter.

Einer nach dem anderen überquerte die Brücke, immer mit Unterstützung der Ortsansässigen. Diese improvisierte Lösung wurde für mich zum Symbol für etwas Größeres: Wie Menschen in schwierigen Situationen zusammenrücken. Keine Diskussionen, kein Gezerre - einfach Hilfe, wo sie gebraucht wurde. 


Die wacklige Brücke - Nathalies Balanceakt


Nathalie steht vor der provisorischen Holzbrücke, die sich über den reißenden Bach spannt. Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine Abenteuer-Attraktion - doch die Realität ist anders: Die Balken sind nass, lehmverschmiert und alles andere als stabil. Mit jedem Schritt bewegen sie sich leicht, und der schwere Rucksack auf ihrem Rücken macht die Sache nicht einfacher. 


Ich sehe, wie sie kurz zögert. Ihr Blick wandert zwischen den schlammigen Brettern und dem wilden Wasser unter ihr hin und her. Doch dann atmet sie tief durch, konzentriert sich - und setzt den ersten Schritt. Plötzlich kippt einer der Balken leicht unter ihrem Gewicht. Mein Herz rutscht in die Hose - doch Nathalie fängt sich blitzschnell, findet ihr Gleichgewicht wieder und macht weiter. Kein Schrei, keine Panik, nur ruhige Entschlossenheit. Als sie schließlich sicher steht, strahlt ihr Gesicht. Dieses Lächeln sagt alles: Stolz, Erleichterung und ein bisschen Ungläubigkeit, es tatsächlich geschafft zu haben. 


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Der dritte Erdrutsch erwies sich als weniger mühsam als befürchtet - kein steiler Aufstieg, sondern eine Überquerung am Fuße des Hangs. Trotzdem blieb es eine Herausforderung: lockeres Geröll, schlammiger Untergrund, jeder Schritt wohlüberlegt. Doch die Stimmung war anders als zuvor. Hier halfen sich alle gegenseitig - Hände wurden gereicht, Tipps zugerufen, und selbst Fremde lächelten sich ermutigend zu. 


Unerwartete Helfer

Auf den letzten Kilometern zur Absperrung überholte uns eine Militärkolonne. Die Soldaten, selbst mitten im Einsatz, boten ohne Zögern an, unser Gepäck zu tragen. Ein Leutnant organisierte uns sogar ein Fahrzeug zum Flughafen Srinagar - und ein Major fragte besorgt, ob wir schon gefrühstückt hätten. Die Fürsorge dieser Männer rührte uns fast ein wenig: Mitten im Chaos nahmen sie sich Zeit für uns. 


Wir lehnten das Frühstück höflich ab ("Danke, wir haben schon gegessen"), aber beim gemeinsamen Tee blieben wir sitzen. Diese Minuten der Ruhe - das dampfende Glas in den Händen, die freundlichen Gesichter ringsum - wurden zum schönsten Abschluss unserer Odyssee. 




Tee und Dankbarkeit - Eine besondere Begegnung


In der einfachen Unterkunft der Soldaten sitzen wir zusammen, die Hände um die heiße Teetasse geschlungen. Unser Dank gilt diesen Männern, die uns so selbstverständlich geholfen haben.


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2015.07 - Ein turbulenter Abschied - typisch Indien!


Wir sitzen im Fahrzeug auf dem Weg zum Flughafen, doch die Reise hat noch eine letzte Überraschung parat: Ein bulliger Inder, begleitet von seiner Schwester und einem Bekannten, bittet uns um eine Mitfahrgelegenheit - angeblich gibt es keine anderen Fahrzeuge im Dorf. Klar, warum nicht? Also laden wir die Truppe ein. Seine Schwester, eine respekteinflößende Dame, meisterte dieselbe Route wie wir - sogar barfuss - durch die Erdrutsche mit bewundernswerter Gelassenheit. Und er? Ein Judo-Champion Indiens, frisch zurück aus den Schweizer Ferien, plaudert charmant über Gott und die Welt und lässt uns sogar sein nagelneues Samsung-Handy benutzen, um unseren Freund Shafi anzurufen - der soll schnell noch einen Flug für uns buchen, den ohne gültiges Ticket kommt man hier nicht auf den Flughafen! 


Dann geht die Post ab. Unser Fahrer rast in schwindelerregendem Tempo durch die Straßen, hupt sich frech an allem vorbei - Menschen, Hunde, Hühner, Kühe, Schafe - als wäre er im Finale eines GTA-Spiels. Es ist Eid, der erste Tag nach dem Ramadan, und die Stimmung ist ausgelassen.


Wir setzen unsere drfei Mitfahrer in der Stadt ab, und wie es in Indien so schön üblich wäre, regelt jeder selbst seine Fahrkosten anteilsmässig. Der Champion jedoch murmelt etwas von "Könnten Sie das übernehmen?" - und schwupps! - sind alle drei wie vom Erdboden verschluckt. Tschüss, Tschau und keine Diskussion! 


Völlig verdreckt erreichen wir schließlich den Flughafen, nur um zu erfahren, dass das Check-in erst in zwei Stunden beginnt. Also ab ins Café, wo wir dank eines großzügig ungesicherten Hotspots unsere E-Mails checken (danke, fremder Technik-Samariter!). Doch dann das typisch indische Happy End: Ein GoAir-Mitarbeiter kommt persönlich vorbei und meint lächelnd: "Sie können schon jetzt Ihr Gepäck abgeben, ich erledige das für sie!" 


Und so verabschiedet sich Indien von uns: chaotisch, herzlich und mit einer Prise magischer Improvisation. Namasté! 



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Nachwort: Glück gehabt!


Vier Tage später erst wurde die Straße zwischen Leh und Srinagar wieder freigegeben - hätten wir gezögert, wäre unser Flug von Delhi nach Zürich ohne uns abgehoben. Doch wer weiß schon im Voraus, ob eine Entscheidung richtig ist? Diesmal hatten wir instinktiv das Richtige getan: uns einfach auf den Weg gemacht und uns durchgeschlagen. 


An der gesperrten Stelle, wo die Kolonne feststeckte, gab es buchstäblich nichts - keine Hotels, keine Toiletten, nicht einmal ein bescheidenes Plumpsklo. Ob die anderen Reisenden schließlich umkehren mussten oder doch noch durchkamen? Keine Ahnung. Wir waren einfach froh, nicht mehr dort zu sein. 


Der Flug nach Delhi verlief problemlos, und Shafis Fahrer erwartete uns bereits - ein vertrautes Gesicht in der fremden Großstadt. Bei Shafi verbrachten wir einen gemütlichen Sonntag, bevor es am Montag weiter nach Frankfurt ging. Noch zehn Tage in der Schweiz und im Elsass lagen vor uns, dann würde es zurück nach Manila gehen. 


Unser Fazit? Steht schon ganz am Anfang: Incredible India! - ein Land, das uns mit seiner unvergleichlichen Mischung aus Chaos, Herzlichkeit und unerwarteten Wendungen einmal mehr überrascht hat.