Teamwork am Gebirgsbach - oder: Wie unser Auto aus der Himalaya-Wäsche gezogen wurde
Plötzliches Verkehrshindernis: Vor uns versucht ein Auto vergeblich, durch den Gebirgsbach zu kommen, der sich kurzerhand über die Fahrbahn geschoben hat. Also: Alle raus, Ärmel hochkrempeln. Unser Fahrer, barfuß und unerschrocken, watet ins eiskalte Wasser - während der Rest der Truppe Steine herbeischleppt, strategisch unter die Räder schiebt und motivierende Rufe ausstößt. Sogar die Mitreisenden, die wir erst seit zwei Stunden kennen, greifen spontan als "Ladakh’s beste Stützräder" ein.
Dramatische Pause. Das nächste Fahrzeug vor uns durchquert die Flut wie ein elegantes Yak - mühelos, fast schon majestätisch. Unser Versuch? Nun ja … Die Räder graben sich ins Geröll, Wasserfontänen spritzen, und für einen Moment fragt man sich, ob man hier "Car vs. Natur" live dokumentiert. Doch dann: Der große Auftritt der Steine-Schubser-Brigade! Mit vereinten Kräften, dem Geschick unseres Fahrers und einer Prise Glück befreien wir uns - Applaus, High Fives, kollektives Durchatmen.
Was bleibt? Die Erkenntnis, dass "Straße" in Ladakh manchmal eher eine Empfehlung ist - und dass solche Abenteuer die Reise erst richtig unvergesslich machen. Weiter geht’s, mit etwas mehr Dreck an den Schuhen, aber um eine Anekdote reicher. Und falls uns der nächste Bach sieht: Wir kennen den Drill!
Khardung La - Unser Gipfeltreffen mit dem Himmel
5.377 Meter - so genau sagt es unser GPS. Damit sind wir 567 Meter höher als der Mont Blanc - und das fühlt man! Der Pass ist nicht nur ein Verkehrsknotenpunkt, sondern der beliebteste Fotopunkt Ladakhs 🙂. Alle wollen den Beweis: Ich war hier, auf dem Dach der Welt!
Die Leute posierten vor der berühmten Pass-Tafel, während sich hinter ihnen die schneebedeckten Gipfel eines 6.000- oder 7.000ers in den Himmel recken. Die Kulisse könnte nicht dramatischer sein - und doch wirkt sie friedlich.
Überall flattern bunte Gebetsfahnen im Wind. Jedes Haus, jeder Felsen, selbst die Passhöhe ist mit diesen farbenfrohen Botschaftern des Glaubens geschmückt. Sie flüstern Gebete in den Wind und erinnern uns daran: Hier ist die Natur noch der größte Architekt.
Doch Vorsicht - die Berge haben auch ihre Launen. Manchmal poltern Steine unvermittelt zu Tal, ob auf Lastwagen, Autos oder einfach ins Nichts. Ein kleiner Wink der Natur, wer hier eigentlich das Sagen hat.
2015.07 - Zweite Rückkehr nach Leh: Vertraute Wege, neue Eindrücke
Die Strecke nach Leh führt uns noch einmal über den Chang La-Pass, diesmal jedoch mit einem anderen Gefühl:
Unser Toyota bewältigt die Piste mit der Ruhe eines erfahrenen Bergführers, während wir die letzten Tage Revue passieren lassen:
Ankunft in Leh
Als die ersten Häuser der Stadt sichtbar werden, spüren wir ein gemischtes Gefühl:
Diese Reise hat uns gezeigt, wie sehr man einen Ort in kurzer Zeit ins Herz schließen kann - und wie sehr er einen selbst verändert.
2015.07 - Nachtfahrt nach Srinagar - Eine besondere Reiseerfahrung
Bereits bei der Planung war klar: Statt des bequemen Fluges von Leh nach Delhi entschieden wir uns für die Nachtfahrt im Jeep nach Srinagar. Die erste Etappe bis Kargil verlief noch relativ ruhig, doch die anschließende Strecke erwies sich als besondere Herausforderung - besonders nach den starken Regenfällen der letzten Tage.
Die Route windet sich durch eine faszinierende Gebirgslandschaft, wo die Natur jeden Tag neu gestaltet wird. Die schmale Schotterpiste führt entlang beeindruckender Felshänge, und immer wieder muss man sich an die besonderen Gegebenheiten anpassen: Steinbrocken auf der Fahrbahn oder gelegentliche Erdrutsche gehören hier einfach dazu. Unser Jeep bewegte sich vorsichtig vorwärts, während wir die atemberaubende Weite der Landschaft bestaunten.
Während der Fahrt war es kaum möglich, gezielt Fotos zu machen - zu schnell wechselten die Eindrücke. Die besten Aufnahmen entstanden spontan aus dem fahrenden Wagen, wenn sich zwischen Kurven und Hügeln plötzlich ein neues Panorama auftat. Besonders beeindruckend waren die Lastwagen, die sich mit erstaunlicher Präzision durch die engen Passagen manövrierten, sowie die ruhige Gelassenheit unseres Fahrers, der diese Strecke schon unzählige Male gefahren war.
Begegnung mit dem Gegenverkehr - Gelassenheit auf schmalem Pfad
Plötzlich taucht ein Lastwagen vor uns auf - auf dieser engen Straße eine ganz normale, wenn auch knifflige Situation. Unser Fahrer bremst gelassen ab, und wir nähern uns im Schritttempo. Mit ruhiger Hand lenkt er uns vorbei, während der Lkw-Fahrer lässig aus seinem Fenster lehnt, als wäre dies ein ganz alltägliches Manöver (was es hier wohl auch ist).
Zugegeben, die Zentimeter zwischen den Fahrzeugen und dem Abgrund sind schon beeindruckend - aber die Routine der Fahrer wirkt beruhigend. Kein Hektik, kein Hupen, nur konzentriertes Vorbeigleiten. Nach wenigen Minuten ist die Stelle passiert, und wir rollen weiter, jetzt mit einem kleinen Schmunzeln: So viel Vertrauen in die Ortskenntnis eines Fremden hatten wir noch nie!
Diese Straße lehrt auf ihre eigene Weise Gelassenheit. Man beginnt zu verstehen, warum Ladakhis so viel Geduld mitbringen - wenn jeder Gegenverkehr eine gemeinsame Lösung braucht, bleibt keine Zeit für Dramen. Und vielleicht ist das ja die eigentliche Reiseerkenntnis:
Manchmal ist der beste Weg nach vorne einfach langsam, achtsam - und mit einem Lächeln für den, der einem entgegenkommt.
Ungeplantes Abenteuer: Zu Fuß nach Sonamarg
Nach einer anstrengenden Fahrt erreichten wir Thal - ohne weitere Zwischenfälle. Doch dort erhielten wir die Bestätigung: Ein Erdrutsch bei Sonamarg blockierte tatsächlich die Straße nach Srinagar. Da unser Flug von Srinagar nach Delhi für den Abend fest gebucht war, blieb uns keine andere Wahl. Wir entschlossen uns, die 10 Kilometer hinter der Erdrutschstelle zu Fuß zurückzulegen - mit unseren schweren Rucksäcken.
Die Überquerung des Erdrutsches - Eine besondere Erfahrung
Der Erdrutsch hatte die Straße verschüttet, und der einzige Weg führte direkt über die instabile Fläche aus Geröll und Schlamm. Zum Glück hatten sich einige Einheimische organisiert und ein dickes Seil als Hilfsmittel gespannt.
Einer nach dem anderen packten wir das Seil fest und setzten vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Der Boden gab unter jedem Schritt leicht nach, und hin und wieder rutschte ein Stein weg - aber die ruhige Sicherheit der Männer am Seil gab uns Halt.
Es war kein Spaziergang, aber auch kein Drama. Langsam tasteten wir uns vorwärts, konzentriert, aber ohne Hektik. Und als wir schließlich auf der anderen Seite standen, war die Erleichterung groß - nicht nur, weil wir es geschafft hatten, sondern auch wegen der selbstverständlichen Hilfsbereitschaft, die uns diesen Weg ermöglichte.
Ungeplante Übernachtung in Sonamarg - Eine Lektion in Geduld
Als wir in Sonamarg ankamen, wurde schnell klar: Die Situation war ernster als gedacht. Zwei weitere Erdrutsche hatten die Straße nach Srinigar blockiert, und die Behörden waren vollauf damit beschäftigt, die Lage in den Griff zu bekommen. Während Einheimische halfen oder nach Angehörigen suchten, wurden wir Touristen freundlich, aber bestimmt zurückgehalten. Die Prioritäten waren klar, und das verstanden wir. Die Beamten nahmen sich überraschend viel Zeit für uns. Sie hörten geduldig zu, als wir von unserem Flug nach Delhi erzählten, den wir heute noch erreichen wollten. Doch zwischen ihren Gesprächen in Urdu fingen wir das Wort "Helikopter" auf - ein deutliches Zeichen dafür, wie schwerwiegend die Schäden wirklich waren.
Es gab Verluste. Es gab Zerstörung. Und plötzlich schien unser Flugproblem klein und unwichtig.
Ohne Diskussion zogen wir unsere Pläne zurück. Die Polizei hatte Wichtigeres zu tun, und wir wollten nicht stören. Als wir uns verabschiedeten, bekamen wir einen festen Händedruck und ein aufrichtiges Lächeln - eine stille Anerkennung für unser Verständnis.
Unser Kontakt in Dehli, Shafi, stornierte den Flug, während wir das letzte freie Hotelzimmer in Sonamarg ergatterten. Es war einfach, aber in diesem Moment fühlte es sich wie ein Fünf-Sterne-Zimmer an.
Manchmal bedeutet Reisen nicht nur, vorwärtszukommen, sondern auch zu akzeptieren, wenn man stehen bleiben muss.
Die wacklige Brücke - Nathalies Balanceakt
Nathalie steht vor der provisorischen Holzbrücke, die sich über den reißenden Bach spannt. Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine Abenteuer-Attraktion - doch die Realität ist anders: Die Balken sind nass, lehmverschmiert und alles andere als stabil. Mit jedem Schritt bewegen sie sich leicht, und der schwere Rucksack auf ihrem Rücken macht die Sache nicht einfacher.
Ich sehe, wie sie kurz zögert. Ihr Blick wandert zwischen den schlammigen Brettern und dem wilden Wasser unter ihr hin und her. Doch dann atmet sie tief durch, konzentriert sich - und setzt den ersten Schritt. Plötzlich kippt einer der Balken leicht unter ihrem Gewicht. Mein Herz rutscht in die Hose - doch Nathalie fängt sich blitzschnell, findet ihr Gleichgewicht wieder und macht weiter. Kein Schrei, keine Panik, nur ruhige Entschlossenheit. Als sie schließlich sicher steht, strahlt ihr Gesicht. Dieses Lächeln sagt alles: Stolz, Erleichterung und ein bisschen Ungläubigkeit, es tatsächlich geschafft zu haben.
Der dritte Erdrutsch erwies sich als weniger mühsam als befürchtet - kein steiler Aufstieg, sondern eine Überquerung am Fuße des Hangs. Trotzdem blieb es eine Herausforderung: lockeres Geröll, schlammiger Untergrund, jeder Schritt wohlüberlegt. Doch die Stimmung war anders als zuvor. Hier halfen sich alle gegenseitig - Hände wurden gereicht, Tipps zugerufen, und selbst Fremde lächelten sich ermutigend zu.
Unerwartete Helfer
Auf den letzten Kilometern zur Absperrung überholte uns eine Militärkolonne. Die Soldaten, selbst mitten im Einsatz, boten ohne Zögern an, unser Gepäck zu tragen. Ein Leutnant organisierte uns sogar ein Fahrzeug zum Flughafen Srinagar - und ein Major fragte besorgt, ob wir schon gefrühstückt hätten. Die Fürsorge dieser Männer rührte uns fast ein wenig: Mitten im Chaos nahmen sie sich Zeit für uns.
Wir lehnten das Frühstück höflich ab ("Danke, wir haben schon gegessen"), aber beim gemeinsamen Tee blieben wir sitzen. Diese Minuten der Ruhe - das dampfende Glas in den Händen, die freundlichen Gesichter ringsum - wurden zum schönsten Abschluss unserer Odyssee.
2015.07 - Ein turbulenter Abschied - typisch Indien!
Wir sitzen im Fahrzeug auf dem Weg zum Flughafen, doch die Reise hat noch eine letzte Überraschung parat: Ein bulliger Inder, begleitet von seiner Schwester und einem Bekannten, bittet uns um eine Mitfahrgelegenheit - angeblich gibt es keine anderen Fahrzeuge im Dorf. Klar, warum nicht? Also laden wir die Truppe ein. Seine Schwester, eine respekteinflößende Dame, meisterte dieselbe Route wie wir - sogar barfuss - durch die Erdrutsche mit bewundernswerter Gelassenheit. Und er? Ein Judo-Champion Indiens, frisch zurück aus den Schweizer Ferien, plaudert charmant über Gott und die Welt und lässt uns sogar sein nagelneues Samsung-Handy benutzen, um unseren Freund Shafi anzurufen - der soll schnell noch einen Flug für uns buchen, den ohne gültiges Ticket kommt man hier nicht auf den Flughafen!
Dann geht die Post ab. Unser Fahrer rast in schwindelerregendem Tempo durch die Straßen, hupt sich frech an allem vorbei - Menschen, Hunde, Hühner, Kühe, Schafe - als wäre er im Finale eines GTA-Spiels. Es ist Eid, der erste Tag nach dem Ramadan, und die Stimmung ist ausgelassen.
Wir setzen unsere drfei Mitfahrer in der Stadt ab, und wie es in Indien so schön üblich wäre, regelt jeder selbst seine Fahrkosten anteilsmässig. Der Champion jedoch murmelt etwas von "Könnten Sie das übernehmen?" - und schwupps! - sind alle drei wie vom Erdboden verschluckt. Tschüss, Tschau und keine Diskussion!
Völlig verdreckt erreichen wir schließlich den Flughafen, nur um zu erfahren, dass das Check-in erst in zwei Stunden beginnt. Also ab ins Café, wo wir dank eines großzügig ungesicherten Hotspots unsere E-Mails checken (danke, fremder Technik-Samariter!). Doch dann das typisch indische Happy End: Ein GoAir-Mitarbeiter kommt persönlich vorbei und meint lächelnd: "Sie können schon jetzt Ihr Gepäck abgeben, ich erledige das für sie!"
Und so verabschiedet sich Indien von uns: chaotisch, herzlich und mit einer Prise magischer Improvisation. Namasté!
Nachwort: Glück gehabt!
Vier Tage später erst wurde die Straße zwischen Leh und Srinagar wieder freigegeben - hätten wir gezögert, wäre unser Flug von Delhi nach Zürich ohne uns abgehoben. Doch wer weiß schon im Voraus, ob eine Entscheidung richtig ist? Diesmal hatten wir instinktiv das Richtige getan: uns einfach auf den Weg gemacht und uns durchgeschlagen.
An der gesperrten Stelle, wo die Kolonne feststeckte, gab es buchstäblich nichts - keine Hotels, keine Toiletten, nicht einmal ein bescheidenes Plumpsklo. Ob die anderen Reisenden schließlich umkehren mussten oder doch noch durchkamen? Keine Ahnung. Wir waren einfach froh, nicht mehr dort zu sein.
Der Flug nach Delhi verlief problemlos, und Shafis Fahrer erwartete uns bereits - ein vertrautes Gesicht in der fremden Großstadt. Bei Shafi verbrachten wir einen gemütlichen Sonntag, bevor es am Montag weiter nach Frankfurt ging. Noch zehn Tage in der Schweiz und im Elsass lagen vor uns, dann würde es zurück nach Manila gehen.
Unser Fazit? Steht schon ganz am Anfang: Incredible India! - ein Land, das uns mit seiner unvergleichlichen Mischung aus Chaos, Herzlichkeit und unerwarteten Wendungen einmal mehr überrascht hat.